Köln bei Nacht

Es ist am frühen Nachmittag des 31.12.2015. In der vorab veröffentlichten Neujahrsansprache der Kanzlerin fällt eines sofort auf. Das Wort Europa kommt nur noch zwei Mal vor. Im Jahr davor, wurde unser Kontinent noch sieben Mal erwähnt. Rein statistisch gesehen, wird somit das bestätigt, was wir gegenwärtig in Deutschland alle fühlen können. Es gibt insbesondere in der Flüchtlingspolitik, kein gemeinsames Europa. Und nicht nur das. Die politischen Vorstellungen in den demokratisch gewählten Ländern Europas verhalten sich teilweise konträr zueinander. Denken wir nur an das von der EU Kommission angestrebte Verfahren zur Prüfung der Rechtstaatlichkeit in Polen.

Wenn Europa an politischer Bedeutung verliert, was hatte uns die Kanzlerin in ihrer Ansprache dann zu sagen? Es war zunächst der Dank an die Menschen im Land, die den Flüchtlingen mit großen persönlichen Einsatz geholfen haben.

Doch es wäre nicht die Kanzlerin, wenn sie nicht gleichzeitig die Zukunft analysiert hätte.

„Es kommt darauf an, dass wir immer auch den Argumenten des anderen zuhören, auch wenn er Sorgen und Chancen anders gewichtet, als man selbst es tut. Es kommt darauf an, dass wir uns nicht spalten lassen. Nicht in Generationen. Auch nicht sozial und nicht in Alteingesessene und Neubürger.“

Wer hätte das gedacht, dass dieser Satz so schnell an Bedeutung gewinnen würde.

Deutschland eine Silvesternacht mit Folgen
Deutschland eine Silvesternacht mit Folgen

Am Silvesterabend wird gegen 22:00 Uhr der Münchner Hauptbahnhof und der Regionalbahnhof in Parsing von der Polizei gesperrt. Die Bayrische Polizei bittet um 22:40 Uhr über den (Noch)-Kurznachrichtendienst Twitter, Menschenansammlungen und die gesperrten Bahnhöfe zu meiden. Gegen 23:38 erfolgte während der ARD „Stadl-Show“, eine Einblendung mit den Kurzinformationen zu den Geschehnissen in München und den Verweis auf die Sondersendung der Tagesschau in der ARD. Wer auf der Flucht vor den ganzen Silvesterrummel die Nachrichtensender N24 und n-tv eingeschaltet hatte, war bereits durch die übliche Laufschrift informiert. Eine ganze Stunde benötigte der öffentlich-rechtliche Fernsehsender, um die Bevölkerung in München über die Gefahr zu informieren.

Am Ende des nächsten Tages stand fest, die Bayrische Polizei hatte in einer schwierigen Situation richtig gehandelt. Die Zeit hatte für eine Überprüfung der Gefährdungslage nicht mehr ausgereicht. Also handelte man dementsprechend. Auf der am Neujahrstag abgehaltenen Pressekonferenz des Polizeipräsidenten Hubertus Andrä, musste sich dieser vor den Fragenden wegen eines eventuellen Fehlalarmes noch rechtfertigen. Doch die Menschen in München sahen dies offenbar anders. Lob und anerkennende Worte, insbesondere für die Arbeit in den sozialen Medien prägten die Meinungsäußerungen.

Während die Neujahrsnacht in München am Ende einigermaßen glücklich verlief, war dies in mehreren deutschen Städten nicht der Fall. Sexuelle Übergriffe gegenüber Frauen und Diebstähle in größeren Ausmaß waren in Köln, Düsseldorf, Hamburg, Nürnberg und Stuttgart keine Seltenheit. Der den öffentlich-rechtlichen Medien zugeneigte TV-Zuschauer, sollte diese Tatsachen in den nächsten 5 Tagen nicht erfahren. Schauen wir uns dazu die Realitäten anhand der ZDF-heute Nachrichten und der Meldungen anderer Medien an.

Freitag 01.01.2016
Moderator der Sendung Christian Sievers – 10 Minuten
Haupthemen:
– Terroralarm in der Silvesternacht
– Großfandung nach einer Schussattacke in Tel Aviv
– Packendes Duell auf der Schanze
Schlagzeilen:
– Schock in der Silvesternacht in Dubai
– Silvesterpartys rund um die Welt
– Massenkarambolage in NRW
– Deutschland übernimmt Vorsitz in der OSZE
– Neuerungen 2016
– Sport

Die Kölner Polizei berichtet – „Ausgelassenen Stimmung in der Silvesternacht – Feiern weitgehend friedlich“. Doch irgendetwas scheint an dieser Meldung nicht zu stimmen. Am ersten Tag des Jahres berichten verschiedene Medien von vereinzelten Übergriffen in der Kölner Neujahrsnacht. Die Nutzer der Netzwerke Facebook und Twitter bekommen ähnliches zu lesen. Es ist jedoch nicht zu übersehen, dass insbesondere die Kommentare ausländerfeindliche Anmerkungen enthalten.
Beispiele:
Focus.de – Frauen am Kölner Hauptbahnhof sexuell belästigt
Kölner Stadtanzeiger – Frauen im Kölner Hauptbahnhof massiv bedrängt

Samstag 02.01.2016
Moderator der Sendung Christian Sievers – 20 Minuten
Haupthemen:
– Massenhinrichtung im Gottesstaat,
– Schneechaos Libanon
– Spannung bei der Vierschanzentournee
Schlagzeilen:
– Terroralarm in der Silvesternacht, -Terroranschlag Indien
– Ein Jahr Mindestlohn
– Polen Rücktrittswelle wegen Mediengesetz
– Freier Handel mit Ukraine (EU)
– Verschärfung der Waffengesetze in den USA
– 10 Jahre Bad Reichenhall
– Sport

Am Samstag den 02. Januar, verdichten sich die Meldungen des Vortages. Die Kölner Polizei gründet eine Ermittlungsgruppe. In der veröffentlichten Pressemeldung berichtet diese von 30 Anzeigen und vom Vorgehen der Täter.

„Die Größe der Tätergruppen variierte von zwei bis drei, nach Zeugenaussagen nordafrikanisch Aussehenden bis zu 20 Personen. Die Verdächtigen versuchten durch gezieltes Anfassen der Frauen von der eigentlichen Tat abzulenken – dem Diebstahl von Wertgegenständen. Insbesondere Geldbörsen und Mobiltelefone wurden entwendet. In einigen Fällen gingen die Männer jedoch weiter und berührten die meist von auswärts kommenden Frauen unsittlich.“

Diese Meldung wird von verschiedenen Redaktionen inhaltlich weitergegeben. Auffällig ist, dass meist regionale Zeitungen davon berichten und die Herkunft der Täter verschwiegen wird. In den sozialen Medien häufen sich die Kommentare. Teilweise werden diese durch die Verantwortlichen gelöscht. Die Hauptgründe dafür, dürften in erster Linie, damit verbunden Äußerungen des Hasses und der Pauschalisierung gewesen sein.

Um 16:44 Uhr äußert sich erstmals ein öffentlich-rechtlicher Sender über Twitter zu dem Thema. Eine zeitgleich veröffentlichte Meldung ist jedoch nicht mehr nachlesbar, da diese später überarbeitet wurde. Um 18:39 Uhr veröffentlicht der Kölner Express eine Nachricht. Unter Berufung auf einen „Beamten“ wird gemeldet, das die Äußerungen in den sozialen Medien bezüglich der Täter „definitiv“ nicht richtig sind.

Beispiele:
Augsburger Allgemeine – Mehrere Frauen in Köln bedrängt und bestohlen
RTL NEXT- Köln: Gruppe von 40 Tätern belästigte Frauen in der Silvesternacht
Aachener Zeitung – Übergriffe auf Frauen in Köln: Polizei ermittelt
Bonner Generalanzeiger – Übergriffe auf Frauen am Bahnhofsvorplatz – Ermittlungsgruppe gegründet
WDR via Twitter – Silvesternacht: Vermehrte Übergriffe auf Frauen am Kölner Hbf – Ermittlungskommission gegründet.

Sonntag 03.01.2016
Moderator der Sendung Christian Sievers – 10 Minuten
Haupthemen:
– Proteste nach Hinrichtungen
– Obergrenze für Flüchtlinge
– Vorentscheidung in Innsbruck
Kommentar des Moderators – „Der Nachrichtensonntag im Überblick“
Schlagzeilen:
– Sorge über Entwicklung in Polen
– Entscheidung über AWACS-Einsatz in der Türkei
– Streit über Flüchtlingspolitik, Wintereinbruch Balkanroute (in Verbindung mit „Obergrenze für Flüchtlinge“)
– Sport

Die Meldungen finden nun auch Eingang in den überregionalen Medien. Teilweise werden die Vorgänge in Zusammenhang mit Festnahmen erwähnt, die in der Nacht zum Sonntag erfolgt sind. Erstmals wird auch über ähnliche Vorfälle in Stuttgart berichtet.

Beispiele:
Bild – Sex-Überfälle an Silvester: Kannten sich die 40 Täter?
Focus – Mehrere Frauen belästigt: Selbst Polizistinnen meiden den Kölner Hauptbahnhof
t-online – Übergriffe auf Frauen in Köln: Fünf Männer festgenommen
Welt – Übergriffe in Köln – Fünf Männer fest genommen
Stuttgarter Nachrichten – 15 Männer rauben zwei Frauen aus

Montag 4. Januar
Moderator der Sendung: Christian Sievers – 20 Minuten
Hauptthemen:
– Nordeuropa regiert auf die Flüchtlingskrise
– Unbekannter schießt auf ein Flüchtlingsheim in Hessen
– Der Winter schlägt zu- Wintereinbruch im Norden
Schlagzeilen:
– Drohender Flächenbrand in der gesamten arabischen Welt
– Polen fordert Verständnis (Mediengesetze, EU-Verfahren)
– Chinas Börsen vorzeitig geschlossen
– Gefährlicher Smog nimmt Millionen Menschen den Atem (Bericht aus Indien)
– Flüchtlinge in Bremen
– Sport

Inzwischen wissen sehr viele Menschen, dass es in der Kölner Nacht zum Jahreswechsel massive Übergriffe gegeben hat. In den Medien wird verzweifelt nach einer Sprachregelung für die Tätergruppen gesucht. Am Ende wird der Begriff „Nordafrikanische Männergruppen“ verwendet. – Eine Wortschöpfung des Innenministers von NRW. Berichte über die die kriminellen Vergehen, gibt es von nun an in allen größeren Medien zu lesen und zu hören.

Beispiele:
Spiegel Online – Silvesternacht: 60 Anzeigen nach Übergriffen vor Kölner Hauptbahnhof
FAZ – Straftaten einer neuen Dimension
Die Welt – Sexuldelikte in sehr massiver Form
Stern – Männer umzingeln Frauen und belästigen sie sexuell – Polizei entsetzt über Gewalt

Ab Dienstag den 5. Januar

Ab Dienstag berichten auch die ZDF-heute Nachrichten über die Vorfälle. Normen Odenthal ist am Abend des 5. Januar der Moderator und beginnt die Sendung mit folgenden Thema: „Gewalt und sexuelle Übergriffe in Köln- Entsetzte Reaktionen“. Seit den Taten sind 115 Stunden vergangen. 115 Stunden in denen die Opfer auf eine Information zu den Vorfällen gewartet haben.

3 Mal hat man in den vergangenen 115 Stunden über die polnischen Mediengesetze und deren Folgen berichtet. Vielleicht möchte die Mehrheit der Menschen in Polen, kein Fernsehen mit der Struktur eines Zweiten Deutschen Fernsehens? Die Öffentlichkeit kann mit Recht von einem öffentlich-rechtlichen Sender erwarten, dass dieser unverzüglich zu diesen Vorfällen recherchiert und berichtet.

Am 5. Januar entschied sich der ZDF – Chefredakteur Elmar Theveßen über Facebook zu einer Stellungnahme:

„Die Nachrichtenlage war klar genug. Es war ein Versäumnis, dass die 19-Uhr-heute-Sendung die Vorfälle nicht wenigstens gemeldet hat. Die heute-Redaktion entschied sich jedoch, den geplanten Beitrag auf den heutigen Tag des Krisentreffens zu verschieben, um Zeit für ergänzende Interviews zu gewinnen. Dies war jedoch eine klare Fehleinschätzung.“

Ergänzt wurde dieses Statment mit dem ZDF-heute Nachrichten Hintergrund und dem Text „Warum die heute 19 Uhr Sendung am Montag nicht über Köln berichtete.“

Das war ein richtiger Schritt und dennoch bietet dieser Anlass zur Kritik. Die Meldungen in den sozialen Medien waren bereits in den ersten Stunden nach den Vorfällen unübersehbar. Und selbst wenn diese von bestimmten politischen Kreisen missbraucht wurden, ist es die Aufgabe eines öffentlich-rechtlichen Senders diese umgehend zu wiederlegen oder eben offen zu kommunizieren.

„In den Sendungen des ZDF soll den Fernsehteilnehmern in Deutschland ein objektiver Überblick über das Weltgeschehen, insbesondere ein umfassendes Bild der deutschen Wirklichkeit vermittelt werden. Die Sendungen sollen eine freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung fördern“.
§ 5 Absatz 1 ZDF-Staatsvertrag

ZDF Morgenmagazin Twitter Meldung
ZDF Morgenmagazin Twitter Meldung

115 Stunden in denen die „deutsche Wirklichkeit“ ausgeblendet wurde. Es waren 115 Stunden zu viel. Am 06. Januar bekam man von der Moderatorin im ZDF Frühstücksfernsehen zu hören, dass man zu den Tätern noch nichts sagen könne, da es gegenwärtig nur „Vermutungen“ gibt. Als müßte man diese Aussage bekräftigen, antwortete man den Zuschauern per Twitter dann mit dem nebenstehenden Zitat des Bundesjustizministers. Dieser verurteilte am 04.01.2016 zurecht die Schüsse auf ein Asylbewerberheim in Dreieich, obwohl  am 06.01.2016 die Hessenschau noch immer berichtete: „Die Hintergründe über die Schüsse auf eine Asylunterkunft in einem Gewerbegebiet in Dreieich-Dreieichenhain (Offenbach) liegen weiter im Dunkeln.“

Sorry Herr Minister, für mich stehen diese Aussagen in einem Widerspruch.

Doch zurück zu den Taten in der Neujahrsnacht. Bereits am 05.01.2016 gab es bei einer Pressekonferenz eine unglückliche Äußerung der Oberbürgermeisterin der Stadt Köln. „Es ist immer eine Möglichkeit, eine gewisse Distanz zu halten, die weiter als eine Armlänge betrifft.“ Die Diskussionen über diese Aussage, setzten sich noch am folgenden Tag in den sozialen Medien fort. Am 08.01.2016 wurde der Kölns Polizeipräsident in den einstweiligen Ruhestand vesetzt. Herr Albers war im Amt nicht mehr zu halten, da aufgetauchte interne Berichte belegten, dass die Polizei viele „W-Fragen“ hätte beantworten können, wenn sie es denn gewollt hätte.

Diese Fehler der Kölner Polizei griff man im ZDF am 07.01.2016 dankbar auf und sendete ein ZDF Spezial – „Nach der Gewalt in Köln – Ist unsere Polizei überfordert?“.

Möge der Leser dieses Beitrages entscheiden ob der Name der Sondersendung nicht anders hätte heißen müssen.

Die massiven Übergriffe auf Frauen in vielen Orten in Deutschlands, sind kriminell und widerwärtig. Sie sind durch nichts zu Entschuldigen. Auch dann nicht, wenn die Täter eine andere Herkunft haben. Es ist Ausdruck eines anderen Frauenbildes und es bestätigt die Kritiker die eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen fordern. Nur mit einer Obergrenze schaffen wir die notwendige Integration und die Vermittlung unserer Werte, so deren Ansicht.

Doch es bleiben viele Fragen offen. Wie waren die Täter vernetzt? Wie war es möglich, dass ausgerechnet an diesem Ort so viele Menschen waren, die offenbar die gleichen Ziele verfolgten? Gab es Steuerungen dieser Prozesse? Und war die Terrorwarnung in München am Ende eine gut gemachte Täuschung um die Aufmerksamkeit von den eigentlichen Tatorten abzulenken?

Aktuell sind bei der Kölner Polizei fast 500 Anzeigen eingegangen. Es bleibt zu hoffen, dass das Schweigen über die Ursachen und die Hintergründe ein Ende findet – in jeder Hinsicht und von allen Seiten.

 

Die Welt ist schön, wenn Du sie änderst!

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Von fkmoegelin

In den veröffentlichten Artikeln beschreibe ich die Welt aus meiner Sicht. Diese sind durchaus politisch, aber immer fern von Blockdenken und / oder einer bestimmten politischen Richtung. Die Artikel sind Konkret. Aussagen die bloße Behauptungen sind, finden sie bei mir nicht. Damit bewahre ich meine Unabhängigkeit. Der Standpunkt ist mir wichtig. Dies ist mein Konzept – Frei von Vorurteilen und Paradigmen.