
Die Gaststätte in der ich bis zum Juli 1984 lernte, hieß „Puck“ und lag gegenüber dem Eishockeystadion. Es war eine Freiluftarena und fasste bis zu 7000 Zuschauer. Eine Zeitlang war es das größte seiner Art in Europa. Sobald die Meisterschaft startete, war ich mit meinen Freunden dabei. Eine Meisterschaft zwischen zwei Mannschaften – Weißwasser und Berlin. Den oberen Herren der Sportspitze, war dieser Sport zu westlich und wurde nur halbherzig gefördert.
Sobald die Fußballsaison begann, fuhren wir zu Dynamo Dresden. Als unser damaliger Fanclub in Dresden, grundlos festgenommen wurde und wir mit dem Rücken zur Wand wie Schwerverbrecher behandelt wurden, schwand mein Interesse für diesen Sport. Außerdem störten mich schon frühzeitig, die Alkohol- und Gewaltexzesse im Zusammenhang mit dieser Sportart. An eines meiner letzten Besuche im Rudolf-Harbig-Stadion, kann ich mich besonders gut erinnern. Ich lernte den talentierten Juniorenspieler Matthias Sammer kennen. Dennoch blieb ich begeisterter aktiver Sportler des Fußballs auch wenn unsere Mannschaft „Aktivist“ steht’s als Verlierer vom Platz ging. Ich war glücklich über die Möglichkeit Sport in Gemeinschaft treiben zu können. Dazu waren die Bedingungen ideal. Es gab ein neues Stadion mit Flutlicht, indem man auch am Abend gemütlich trainieren konnte.
Am 11.03.1985 wird Michael Gorbatschow, Parteichef in der Sowjetunion. Endlich hatten die Genossen in Russland ein Einsehen und wählten einen jungen Mann an die Spitze. Vorher starb ihnen, in schöner Regelmäßigkeit, der 1. Mann des Staates weg. Ein paar Wochen später, hieß es mal wieder Abschied nehmen. Mit 20 Jahren benötigten meine Eltern einen gewissen sanften Druck, um mich zu einem nochmaligen Wechsel nach Berlin zu überzeugen.
Da war sie nun wieder die Mauer. Es wird immer noch geschossen, wenn jemand auf die andere Seite möchte. Wir diskutieren zu Hause viel über Politik. Schauen täglich die Aktuelle Kamera und die Tagesschau. Mein Vater war inzwischen in einer der Blockparteien. Für die SED war er nicht geeignet, da er sich nicht von seinen Verwandten aus dem anderen Teil Deutschlands los sagen wollte. Die Jahre in der Bundesrepublik hatten ihn geprägt. In den vielen politischen Diskussionen die wir in diesen Tagen führen, sind seine Argumente immer ein bisschen anders als die die man sonst zuhören bekommt.

Kaum hatte ich ein halbes Jahr in einer Küche eines Sportinternats gearbeitet, kam auch schon der Einberufungsbefehl. Ich hatte mich damals für 3 Jahre entschieden. Zu Hause war es ziemlich eng geworden. Also war dies der beste Weg eigene Wege zu gehen. In einem halben Jahr wurde ich dann zum Unteroffizier gemacht. Am meisten störten mich die Nachtwachen. Erst ein Jahrzehnt später, erfuhr was ich dort bewachte – Mittelstreckenraketen. Ein halbes Jahr später, ging es dann nach Eggesin. Das Dorf und mit ihr die Kaserne im Nordosten der DDR, war ziemlich gut versteckt. Nach 12 Wochen gab es den ersten Urlaub. Bei der Rückkehr kam der Zug erst gegen Mitternacht an. Es gab kein Licht. Im Wald war es stockduster. Was bin ich gerannt um endlich anzukommen.
Der größte Schock, kam aber schon nach wenigen Tagen. 2,5 Jahre Küche so war der Deal bei der Musterung. Stattdessen legte man mir den Titel „Transportversorgungsgruppenführer“ nah. Auf einmal sollte ich große Dinge wie ein Ural fahren und gleichzeitig gestanden LKW-Fahrern sagen was sie zum „Wohle des Sozialismus“ mit ihren Fahrzeugen anstellen sollten. Das Problem war jedoch ein anderes. Ich hatte keine Fahrerlaubnis und wollte auch keine. Kurze Zeit später hatte ich die Berechtigung alles in dieser Welt zu fahren. 2 Wochen lang habe ich nichts gegessen um diesen unsinnigen Befehl zu unterlaufen. Die Kräfte schwanden, der Befehl nicht. Dann der nächste Versuch. Drei Mal bin ich kalkuliert durch die theoretische Prüfung gefallen. Beim 4. Versuch hatte ich „Hilfe“ in Form eines Offiziers. Auch diese Strategie war also gescheitert.
Unter der Umgehung des Politoffiziers, habe ich mich dann direkt an den Regimentskommandeur in einem Schreiben gewandt. Es war ein gefährliches Spiel. Der Begriff Schwedt schwebte über jeden Versuch sich den Oberen entgegenzustellen. Doch es gelang das Unmögliche. Die restlichen Jahre meiner Armeezeit verbrachte ich als stellvertretender Küchenchef in der Küche. In meinem Herzen hatte ich innerlich, zum ersten Mal mit diesem System gebrochen.
Im April 1988 war ich zurück. Ich hatte gelernt mich durchzusetzen. Unvergessen der Moment als man bei einer der vielen Trinkgelage mir Wodka in die Cola schüttete und ich den Tisch in der mit 12 Mann gefüllten Stube vor Wut mit einem Handstreich leer räumte. Niemand hatte es gewagt zu fordern, dass ich diesen Scherbenhaufen wegräumte. Niemand hatte es je wieder versucht, mir etwas anderes als Cola oder Tee anzubieten.

Zu diesen Zeitpunkt brodelte es in der DDR an allen Ecken und Enden. Ein gut sichtbarer Gorbatschow-Button war mein ständiger Begleiter. Als Erich Honecker im Dezember 1988 die Ablehnung der sowjetischen Reformpolitik bekundete, war die DDR immer noch mein Land, aber die Führung der DDR hatte bei mir jeden Kredit verloren. Nachdem ich für ein paar Monate in einem Sportinternat unter anderen mit den jungen Jan Ullrich gelebt hatte, war ich endlich im Besitz meiner eigenen Wohnung.
Am 07. Mai 1989 gab es dann die Kommunalwahlen. Zum ersten Mal im Leben begab ich mich in eine Wahlkabine. Nur wenige nutzten diese an jenem Tag. Wie immer gab es nicht viel auszuwählen. Fein säuberlich strich ich alle Kandidaten durch. Alles andere wäre ein „Ja“ gewesen. Dieser Schritt war eine Form des Protestes und eine Unterstützung der Menschen die noch mutiger als ich waren. Am Abend folgte dann die nächste Premiere. Oppositionelle hatten die Menschen aufgefordert an der Auszählung teilzunehmen. Ich ging hin und beobachtete die Auszählung. 10 % stimmten gegen den Wahlvorschlag. Am Abend in der Aktuellen Kamera waren es dann nur noch 1,15 %.
Dem Satz „Habt Ihr schon gehört die Mauer ist auf“ folgte dem Ruf nach der „Deutschen Mark“. Die Menschen waren in dieser Zeit sehr verblendet. Was nicht besonders verwunderte. Wir waren dem Werbefernsehen und -rundfunk der Bundesrepublik hoffnungslos ausgesetzt. Das weckte über Jahre Wünsche die unerfüllbar waren. Die DDR ging. Am 03. Oktober 1990, dem Tag der „Wiedervereinigungstaumelei“, setzte ich mich in den Zug und fuhr für einen Tag noch Kopenhagen. Der Verlust eines Landes in dem ich geboren wurde, wog schwerer als das nun vereinte Deutschland.
1992 feierte Franziska von Almsick ihren ersten Weltcupsieg. Sie kannte ich noch aus früheren Jahren, als sie vor mir an der Essensausgabe stand. Auf der Arbeit wurden wir nach und nach immer weniger Beschäftigte. Aus Planwirtschaft wurde Marktwirtschaft….